Eckdaten
Strecke:
Anstieg:
Abstieg:
Dauer:
Tagebucheintrag
Ein letztes Mal mussten wir so unendlich früh aus den Bettenlagern aufstehen, uns in die Kälte quälen und auf den harten Sattel schwingen. Wer glaubt, dass sich da Freude auf eine lange Dusche und das eigene Bett durchsetzen, irrt. Wie schon am Vortag überwog eine Wehmut und die Überzeugung, baldmöglichst in die Alpen zurückzukehren. Außerdem waren wir natürlich aufgeregt, wie sich die eigentlich lockere letzte Etappe gestalten würde. Zwar ist die zweite Hälfte der Strecke eine einzige lange abschüssige Landstraße, doch mussten wir den am Vortag nur zögerlich empfohlenen Weg über die Steinkarscharte und das Pfunderer Joch überwinden. Die Aussagen und besorgten Gesichter der drei Generationen des Hüttenbetriebs bereiteten uns große Sorge, aber umkehren und über Brixen fahren wollten wir ebenfalls nicht.
Auch das Wetter wollte uns nicht locken. Als wir wach wurden, pfiff der Wind mit ohrenbetäubendem Lärm an den Nischen der Hütte vorbei und schaffte es, die sonst hängende lange Fahne des Alpenvereins in die Waagerechte zu drücken.
Vor der Anstrengung folgte das tägliche Frühstück. Hier konnte die Brixner Hütte, wie auch in eigentlich allen Punkten, überzeugen. Das Frühstück war zwar in der Auswahl deutlich reduziert, dafür enthielt es die beste Wurst und den besten Schinken, den wir auf der Tour bekamen. Dazu nahmen wir einen Tee und die obligatorische Tasse Kaffee, die hier aus einem professionellen Vollautomaten stammt und mit geschäumter Milch gereicht wurde. Der restliche Morgen verlief dann militärisch routiniert: Tasche packen, anziehen, die Fahrräder ausrüsten und die Karten vorbereiten. Noch vor 8:30 Uhr konnten wir bei nachlassendem Wind in Richtung der Steinkarscharte marschieren.
Was nun kommen sollte, sieht auf dem Höhenprofil kaum wahrnehmbar aus, machte uns aber, mit ein wenig alpiner Erfahrung der ersten Tage, zu recht skeptisch. Der kurze Aufstieg bis zum höchsten Punkt war dem Fimberpass gleichkommend. Geschlungene eng ausgetretene Wege, nicht zu steil und unwegsam, führten uns hinauf auf 2608 m Höhe. Das letzte Stück war mit Geröll übersät. Solch ein Weg lässt sich leicht hinaufschieben, uns war jedoch klar, dass wir hier sicher nicht umdrehen und hinabsteigen wollten. Gegen 10:00 Uhr waren wir dann „über den Berg“, oder genau genommen leider nur auf dem Berg. Dass ein Abstieg nicht minder zeitaufwändig und kräftezehrend ist, mussten wir ja bereits lernen, was sich uns aber hier offenbarte, war nur noch beängstigend. Ein steiler Weg, der als solcher eigentlich nicht erkennbar war, führte über ein grobes Geröllfeld, dessen sichtbares Ende eine hohe Kante ausbildete. Mit etwas Galgenhumor und der Gewissheit, dass wir keine andere Wahl hatten, als weiterzuwandern, jetzt mit einem nachdrückendem Fahrrad und wackligem abrutschenden Untergrund, nahmen wir uns die Zeit für einen Pickup-Riegel und um die Aussicht zu genießen.
Nach wenigen Minuten hatte uns der Wind soweit runter gekühlt, dass die Hände schmerzten und wir nicht mehr länger warten konnten. Mit wackeligen Knien machten wir uns auf den Weg in den Schatten des Eselskopf (2839 m). Neben uns lagen vereinzelte Schneefelder und ständig lösten sich unter uns kleine Steine. Selbst große Felsbrocken wackelten gelegentlich unter uns umher. Wie schon oft, war der Weg kaum vorherzusehen, ergab sich aber meist, wenn man an einem Hindernis ankam. Markierungen des Alpenvereins leiteten uns entlang des Geröllfeldes zur steilsten Stelle und im Zickzack in Richtung Tal. Mehr als einmal rutschten wir ab und fanden nur schwer Halt. An einer Stelle musste Sebo sich sogar kontrolliert seitlich auf sein Fahrrad stürzen, um nicht ganz hinabzufallen. Nachdem wir ein paar kleinere Gerölllawinen ausgelöst hatten, erreichten wir endlich Sonnenlicht und einen ebenen Pfad den Hang entlang, der an einer Alm endete. Hier konnten wir mit Blick auf ein perfektes Alpenpanorama für eine dreiviertel Stunde, bis etwa 12:00 Uhr, rasten. Das zweite PickUp, die Thunfischdose und unsere Cola dienten als Mittagessen. Sebo war, wie schon in der Bärenfalle, voller Tatendrang und heizte uns an, auf den kleinen hinter uns liegenden Gipfel zu steigen. Seinen Übermut konnten wir bremsen.
Gestärkt von der Pause sowie gewärmt von der Mittagssonne, folgte ein lockerer Marsch in Richtung Pfunderer Joch (2568 m). Der Weg führt über weite Almen, auf der die Weidenutzung deutliche Spuren hinterlassen hat. Dieser Weg sei bei Mountainbikern beliebt, hatte man uns in der Brixner Hütte versichert. Zahlreiche Reifenabdrücke im getrockneten Matsch zeugten davon. Dementsprechend war der Weg keine allzu große Herausforderung und schon bald waren wir auf der Westseite der Pfunderer Berge unterwegs nach Burgum.
Ab dem Pfunderer Joch war nahezu alles ohne weiteres fahrbar, allerdings wird man zu Beginn doch deutlich durchgeschüttelt. Es war klar zu erkennen, dass der Weg einst als Straße angelegt worden war. Zwei Streifen waren für Fahrzeuge befestigt und Brücken über die kleinen Quellbäche errichtet. Entlang der Straße sorgte eine Mauer dafür, dass der Hang nicht abrutschen konnte. Hier hatte sich jemand sehr viel Mühe gegeben. Ein Grundriss erinnerte an ein kleines Gebäude, nur ein paar Quadratmeter groß.
Weiter unten begann zunächst die Baumgrenze und kurze Zeit später erreichten wir einen ganzjährig betriebenen Bauernhof. Ab diesem Punkt waren die Wege kaum noch als alpin zu bezeichnen und man wäre sie am liebsten hochgeradelt. Eine Furt, deren Durchquerung unsere Schuhe durchnässte, war das letzte abenteuerliche Transalperlebnis. Dann erreichten wir die Stadt Burgum, die aus einer Handvoll Häuser bestand. Auf den letzten Metern vor der Stadt rannte uns ein in militärischer Kleidung gehüllter junger Mann mit professioneller Kamera hinterher. Da er mit den Wanderstöcken wild gestikulierte, wurden wir neugierig und warteten. Nach den Wanderern vom Vortag, die uns nur mit Argwohn begegneten waren, war dieser Russe eine willkommene Abwechslung. Er fragte uns auf Englisch, ob wir am Morgen über den Pass kamen. Er hätte uns dort von Weiten beobachtet und war sichtlich beeindruckt.
Über die LS/SP 508 fuhren wir, wieder auf dem originalen Track, nach Sterzing, wo wir gegen 15:00 Uhr eintrafen. Am Bahnhof konnten wir noch ein Eis genießen, bevor wir dem Eisacktalradweg folgend nach Brennero aufbrachen. Dieser Radweg hatte einige Steigungen für uns bereit, war aber in großen Teilen moderat und mit gutem Tempo zu überwinden. Nach Gossensaß jagte uns die Wegführung noch einen gewaltigen Schrecken ein, zur fortgeschrittenen Zeit und mit schwindenden Kräften ist uns aufgefallen, dass der Weg sich im rechten Winkel von unserer ursprünglichen Route entfernt. Nach kurzer Recherche stellte sich heraus, dass der Eisacktalradweg eine Schlaufe macht, um einen besonders starken Anstieg zu überwinden und entlang einer alten Bahntrasse in Richtung Brennero führt.
Kurz bevor wir den Brenner Pass erreichten, wurde der Radweg leider durch eine Baustelle unterbrochen. Das Baustellentor war nur mit einem Draht gesichert und wir wollten uns den Umweg sparen. Leider endete unsere Abkürzung vor einer Kapelle an einem tiefen Abgrund, über dem gerade eine Brücke entstehen soll. Einer der Bauarbeiter zeigte uns dann mit verständnisvollem Fuchteln und italienischen Ausrufen, dass wir bitte außen entlangfahren sollten. Wir entschieden uns nach kurzem Zögern, seinen Rat zu befolgen und nahmen die schließlich doch recht kurze Umleitung.
In der leicht heruntergewirtschafteten Stadt Brennero endete unglücklicherweise der hervorragende Radweg. Es war 18 Uhr und wir wollten bereits am Ziel sein. Allerdings ging es nun ja nur noch über Landstraßen hinab nach Innsbruck, wenn auch noch für mehr als die Hälfte der Gesamtstrecke. Auf den ersten Kilometern, bis nach Gries, konnten wir richtig Geschwindigkeit aufbauen. Trotzdem begannen wieder die halsbrecherischen Überholmanöver der anderen Verkehrsteilnehmer. Kurz vor einer Kurve überholte uns beispielsweise ein PKW derart, dass der Gegenverkehr hupend ausweichen musste und nur wenige Meter zwischen Leben und Tod standen. Eines von vielen solcher Ereignisse.
Bald wurde das Gefälle geringer und konnte unsere Fahrräder kaum noch antreiben. Bei ungefähr 15 km/h war die Luftreibung groß genug, um die Beschleunigung gänzlich auszugleichen. Wollten wir schneller sein, und das mussten wir angesichts der einsetzenden Dämmerung, war es wieder nötig, kraftvoll in die Pedale zu treten.
Bei Schönberg im Stubaital angekommen, war es bereits stockfinster. Sebo suchte hastig seine Lampe raus und konnte sein Rücklicht nicht finden. Ich stellte ebenfalls fest, dass sich auch mein Rücklicht nicht mehr am Fahrrad befand, hatte aber glücklicherweise einen Ersatz dabei. Der Weg verließ über Schönberg dann auch vorübergehend die B182 und führte parallel zu ihr durch ein Waldstück nach Unterberg, wo wir wieder auf dieselbe Straße gelangten. Zu Beginn des Waldstücks sprach ein Mountainbikefahrer noch eine Warnung aus, da es teilweise steile Hänge und Wurzelholz auf dem Weg gäbe. Beides entspricht zwar der Wahrheit, aber von der Dunkelheit abgesehen, konnte man hier ohne große Bedenken fahren.
Die Straße, die wir erneut nutzen mussten, war mittlerweile menschenleer und die wenigen Autofahrer, die uns noch überholten, agierten bedacht. Das und die Tatsache, dass Innsbruck nur noch wenige Kilometer entfernt lag, sorgten dafür, dass wir uns endlich entspannen konnten. Zumindest, bis wir bei Natters auf eine Art Autobahnabfahrt gerieten, in der wir uns von links auf die Landstraße einfädeln sollten. Im abendlichen Innsbruck wäre dann auch Maria nahezu von einem heranrasenden Auto überfahren worden. Sie versuchte sich auf der Egger-Lienz-Straße auf der linken Spur einzuordnen, als ein BMW mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit von hinten heranfuhr und nur knapp mit quietschenden Bremsen zum Stehen kam. Grund genug, auf dem Bürgersteig zu fahren und kein weiteres Risiko einzugehen.
Um etwa 20:30, nach ziemlich genau 12 Stunden auf der letzten „einfachen“ Abschlussetappe, erreichten wir die Studenten-WG, in der wir die erste und letzte Nacht des Urlaubs bei Freunden verbringen durften. Erschöpft aber zufrieden, erfreuten wir uns an der Dusche, den von uns gebunkerten Süßigkeiten und den Spaghetti, die für uns gekocht wurden.
Ausgaben
Maria:
Sebo:
Bernhard:
Nach dieser Etappe fehlte uns jedwede Energie und die Buchführung konnten wir nicht mehr abschließen. Tatsächlich hatten wir aber nahezu keine Ausgaben, da wir das Frühstück bereits am Vortag bezahlten und in Innsbruck kostenlos bei Freunden schlafen und sogar essen durften. Mittags sorgten ein Eis und ein Croissant am Bahnhof in Sterzing für die einzigen Ausgaben des Tages, die wir nun nur noch schätzen können.
Transport: 00.00 €
Snacks: 3.00 € (2x)
Einkäufe: 0.00 €
Abendessen: 0.00 €
Übernachtung: 0.00 €