Alpencross Planen: Die selbst organisierte Transalp.







Wir haben uns bei unseren ersten beiden Alpenüberquerungen für eine selbstorganisierte Transalp entschieden. Gerade für Anfänger, die das erste Mal in den Alpen unterwegs sein werden, ist ein vom Reiseveranstalter organisierter Alpencross mit erfahrenem Guide durchaus mit einigen Annehmlichkeiten und Vorteilen verbunden. Wer seine Tour von Anfang an selbst organisiert geht ein höheres Risiko ein und muss deutlich mehr Zeit in die Planung investieren. Der Vorteil ist eine individuell abgestimmte Tour und ein deutlich niedrigerer Preis.

Der Hauptantrieb für unsere Entscheidung war die Abenteuerlust. Als Studenten wollten wir etwas ganz anderes erleben, die Natur auf eigene Faust kennen lernen und in der Planung frei agieren. Die Idee war ohnehin sehr spontan und etwas überstürzt geboren. Immerhin hatten wir uns aber einen üppigen Zeitrahmen von etwa einem Jahr gelassen, um alle nötigen Vorbereitungen zu treffen.

Zusätzlich hatten wir gerade bei der ersten Transalp ein sehr enges Budget von 400 € gesetzt, das wir in einer geführten Tour niemals hätten einhalten können. Auch deswegen stand die spontane Entscheidung bis zuletzt. Bereut haben wir es nie.

Für den selbst geplanten und organisierten Alpencross sind einige wichtige Punkte zu beachten. Diese müssen auch frühzeitig in die Planung und Vorbereitung einfließen. In diesem Beitrag wollen wir keine Schritt-für-Schritt Anleitung geben, aber doch einige unserer Erfahrungen teilen und Hinweise geben, die bei der Planung helfen. Diese sollen dabei unterstützen in die Planung der selbst organisierten Alpenüberquerung einzusteigen. In detaillierteren Beiträgen an anderer Stelle werden wir die einzelnen Themen genauer beleuchten.



Selbstorganisierter Alpencross: Grundsätzliches zur Routenplanung

Die Planung sollte bereits früh beginnen. Fast ein Jahr bevor unser selbst organisierter Alpencross bevorstand haben wir erste Ideen gesammelt und uns in die Thematik eingelesen. Ein halbes Jahr vor der Tour stand die Route bereits in nahezu finaler Fassung bereit. Denn je früher man plant, umso besser kann man sich zielgerichtet informieren. Durchdachte Planänderungen bleiben ohne weiteres möglich. Ein positiver Nebeneffekt der konkreter werdenden Planung ist, dass es für das Training ungemein motivieren kann. Gerade im verregneten Frühjahr schafft man so die nötigen Kilometer.

Da bei der Alpenüberquerung in Eigenregie kein Guide für euch das Denken übernimmt, müssen manche alpentypischen Gefahren schon bei der Planung berücksichtigt werden. Zu diesen gehören auch plötzliche und heftige Unwetter. Ein gerade bei der ersten Transalp wichtiges Instrument sind daher Alternativrouten. Das heißt für eine Etappe sollte nicht nur der geplante und schöne Weg über den Berg, sondern auch eine Alternative durch Täler und über Passstraßen bedacht werden. Ist das nicht möglich, bleibt gegebenenfalls nur der Ausfall einer Etappe oder eine größere Umplanung vor Ort.

Eine grundlegende Entscheidung vor Planungsaufnahme ist die Wahl der Art der Übernachtungsstätten. Im Wesentlichen unterscheidet diese sich darin, ob man im Tal oder auf dem Berg schlafen will. Beides hat seine vor und Nachteile. Wer im Tal startet bestreitet morgens den anstrengenden Teil der Etappe und kann frühzeitig absehen, ob die Strecke im Zeitrahmen zu schaffen ist. Wir wollten es günstig und urig, deshalb entschieden wir uns für Alpenvereinshütten. Dafür mussten wir häufiger viel zu spät eingestehen, dass wir uns in der Etappenplanung verkalkuliert haben. Diese Entscheidung wirkt sich ebenfalls auf die Verpflegung während der Etappe aus, da wir mittags meist in Städten waren und uns mit Nachschub eindecken konnten.

Ebenfalls vor Beginn der Planung stellt sich die Frage welche Leistung man erbringen möchte. Ein häufig verwendetes Maß für die Schwierigkeit sind Gesamtstrecke und bezwungene Höhenmeter. Wie im Beitrag „Vorbereitung: Die Höhenmeter“ dargelegt, sollte man sich aber nicht von den Trainingszahlen täuschen lassen und bei der Planung der ersten eigenen Alpenüberquerung ein wenig vorsichtiger sein. Unter Einfluss von Erschöpfung und Höhenluft kämpft man sich auf dem unwegsamen Gelände oft viel langsamer voran als im Mittelgebirge. Hinweise dazu geben die Erfahrungsberichte anderer Radfahrer und topographische Karten mit guter Geländedarstellung.



Die Route selbst planen: Das Vorgehen

Planung

Planung mit Hilfe von Fachzeitschriften

Unsere Planung haben wir in zwei verschiedenen Weisen durchgeführt. Variante 1 ist gerade für Anfänger zu empfehlen. Dabei sucht man sich bekannte schon oft gefahrene Kompletttouren, wie sie etwa im Mountainbike und Bike Magazin vorgestellt werden oder hundertfach publiziert sind. Die Angabe von Strecke und Höhenmetern, der Schwierigkeitsgrad und die Attraktivität solcher Strecken sind schon hundertfach bestätigt und man kann sich sicher sein, dass die Infrastruktur stimmt. Die Suche nach so einer Strecke ist fast so einfach wie das blättern im Katalog der Anbieter von geführten Touren. Dafür muss man während der Saison früh Hütten buchen und überfüllte Wege in Kauf nehmen. Individualisierung durch das kombinieren verschiedener Touren oder das eigenständige planen eigener Etappen sind machbar.

Die Alternative erfordert ein gewisses Knowhow im alpinen Gelände. Wir nutzen sie schon bei unserer zweiten Tour und damit noch etwas zu blauäugig. Angelesenes Wissen und die Erfahrungen des Vorjahres haben aber verhindert, dass wir zu große Fehler machten.

Wir haben dafür wie zuvor den Startpunkt festgelegt und dann unter den „Sehenswürdigkeiten“, die in verschiedenen fertigen Touren als Highlights gelistet waren oder der Top 100 Liste des Mountainbike-Magazins vorkamen einige Ziele rausgesucht und diese versucht sinnvoll zu verbinden. Dazu kam die Notwendigkeit Schutzhütten auf dem Weg zu suchen und Etappen zwischen 1500 und 2000 Höhenmetern zu formen. Am Schluss blieben neben Start- und Zielort nur zwei der gewünschten Sehenswürdigkeiten und zwei von sechs Etappen hatten nur wenige Höhenmeter, dafür einige sehr schwierige Tiefenmeter.

Neben den genannten Seiten und Garmin Basecamp bieten sich die Hüttensuche des DAV, Naviki und Outdooractive als gute Ressourcen an. Outdooractive überzeugt durch eine Angabe des Untergrundes, im eigenen Profil speicherbare Routen und eine gute App. Eine etwas langsame und kostenpflichtige Seite, mit detailreichen Informationen auf tatsächlich abgefahrenen Routen ist bike-gps.com. Auch gpsies.com bietet eine Vielzahl an Routen, die von der Community aufgezeichnet wurden.



Alpencross in Eigenregie: Gepäcktransport selbst organisieren

Wer seine Alpenüberquerung selbst organisiert kann dennoch auf einen Gepäckservice zurückgreifen. Das gilt vor allem bei Übernachtungen im Tal. Eine 6-8 Stunden Etappe überwindet oft nur eine Talstrecke von 10-30 Kilometern. Damit kann schon ein gewöhnliches Taxi den Gepäcktransport zum nächsten Hotel übernehmen und verursacht überschaubare Kosten. Schutzhütten sind dagegen oft nicht mit dem Auto zu erreichen und wenn zusätzlich kein Materiallift existiert, ist der Gepäcktransport entsprechend schwierig. Auch hier gibt es einige gewerbliche Anbieter, die sich darum kümmern. Der Preis ist allerdings entsprechend höher und oft nur für größere Gruppen tragbar.

Wir entschieden uns daher für das Einschränken. Mit jeweils ca 30 Litern in unserem Rucksack und ein paar kleineren Rahmentaschen waren wir in der Lage alles nötige zu transportieren. Es passten trotz der drei Liter Wasser sogar noch genug Riegel und (Fruchtmus-)Quetschbeutel für die gesamte Tour hinein.

Der selbstständige Transport im Rucksack spart mehr als 150 €. Der Nachteil sind gut 10 kg auf dem Rücken, die nicht nur Kraft kosten sondern auch Bewegungsfreiheit. Außerdem muss man regelmäßig waschen um mit den maximal drei Sätzen Sportkleidung auszukommen. Es kam daher ab und zu vor, dass wir außen am Rucksack noch Trikots und Unterhosen zum Trocknen aufspannten, wenn kein guter Trockenraum in der Hütte vorhanden war und wir wieder mal alles auf einmal gewaschen hatten. Selten mussten wir sogar morgens in die noch klamme Kleidung steigen.



Übernachtungsplätze organisieren: Schutzhütten

Eine der wichtigsten Aufgaben in der Planung des selbstorganisierten Alpencross ist das Finden der richtigen Übernachtungsplätze. Wie bereits beschrieben, hat die Auswahl erheblichen Einfluss auf die Charakteristik der Etappen und die Kosten. Insbesondere wenn das Budget gering ist, hängt die Machbarkeit zu einem nicht unerheblichen Teil von der Verfügbarkeit der Schlafplätze in der Region ab.

Unsere Erste Wahl war die Übernachtung in Schutzhütten, die oft von Alpenvereinen betrieben werden und dann meist sehr bezahlbar sind. Auch viele privatbetriebene Schutzhütten sind günstig. Die Preise beginnen bei 8 € (Übernachtung im Matratzenlager für Alpenvereinsmitglieder) können aber in manchen Hütten auch bis zu 50 € betragen (dann üblicherweise zumindest mit Frühstück). Nach der Saison sind Matratzenlager ziemlich entspannt, da nur teilweise gefüllt. Außerdem haben alle einen ähnlichen Rhythmus. Wenn das Matratzenlager voller schnarchender Wanderer und schlecht belüftet ist, kann die Nacht aber zur Tortur werden und ggf. lohnt sich der Aufpreis für ein eigenes Zimmer. Bei den günstigen Hütten muss man zusätzlich bedenken, dass die Preise weder Frühstück (ca. +10€), Duschen (ca. +2€) noch Abendessen (ca. +12€) beinhalten. Zumindest auf das Frühstück konnten wir aber oft verzichten, wenn wir zunächst nur bergab mussten. Eine Dose Thunfisch oder ein paar Riegel brachten uns dann zur nächsten Bäckerei. Wer dazu neigt früh zu essen, sollte aber keinen Hungerast riskieren und unserem Beispiel nicht folgen.

Schutzhütten findet man zum Beispiel mit dem DAV Hüttensucher und in den Karten von Naviki und Outdooractive. Nicht jede eingetragene Hütte bietet auch Übernachtungsmöglichkeiten, daher ist eine Recherche unbedingt nötig. Weiterhin können die Öffnungszeiten, vor allem in Abhängigkeit der Höhe, stark variieren. Ende September sind einige Hütten bereits geschlossen und nicht alle bieten einen offenen Winterraum. Genaueres klärt man am besten frühzeitig mit den Hüttenwirten, während man eine vorab Reservierung sendet. Gerade in der Hauptsaison ist das Reservieren unerlässlich.



Übernachtungsplätze organisieren: Hostels, Gasthöfe, Pensionen und Hotels

Günstige Hostels findet man nur in den größeren Städten, wie z.B. Innsbruck, Brixen, Meran, Bozen und Riva. Diese bieten für ca. 25€ eine Übernachtungsmöglichkeit mit Frühstück und Dusche. Nach einigen Etappen in den urigen und gemütlichen Berghütten, ist ein eigenes modernes Zimmer eine Wohltat. Deshalb bauten wir eine Pausenetappe (ohne viele Höhenmeter) ein, welche in einem Hostel endete. Manche Hostels (z.B. Brixen) bieten sogar Kochmöglichkeiten.

Hostel in Riva

Das Hostel in Riva

Die teurere Alternative sind Pensionen. In Sterzing griffen wir auf die Pension Frick zurück. Verglichen mit allen anderen Übernachtungsmöglichkeiten war das purer Luxus, ohne kalt und modern zu wirken. Für die erste Nacht oder eine Zwischenstation sind Pensionen daher wunderbar. Uns wäre es aber zu teuer bei einem Alpencross von Tal zu Tal immer wieder in Pensionen einzukehren.

Auf Hotels und Gasthöfe griffen wir auf keiner der bisherigen Etappen zurück. Als wir aufgrund der geringen Hüttendichte nach einem Hotel in Österreich bei Neukirchn am Großvenediger gesucht haben, fanden wir ein reiches Angebot an Hotels die sich teilweise auf Sportler konzentrieren. Keines davon erschien uns aber bezahlbar und da wir ohnehin fast nie vor 18:00 Uhr eintreffen würden, könnten wir Angebote wie einen Saunabereich oder Pool nicht wahrnehmen.

Für uns bleiben alle drei genannten Kategorien also nur Ausweichmöglichkeiten, die wir vermeiden wollen. In unserem letzten Alpencross kamen wir auf nur drei Hüttenübernachtungen und mussten in zwei Hostels und einer Pension schlafen. Für unseren Geschmack blieb dabei das Alpencross-Gefühl ein wenig auf der Strecke und wir freuen uns bei der nächsten Tour insbesondere auf viele Hüttennächte.



Risiken bei selbstorganisierten Alpenüberquerungen (Überblick)

Die selbstorganisierte Alpenüberquerung birgt im Grunde dieselben alpentypischen Gefahren, wie eine geführte Tour. Der Unterschied ist, dass man selbst verantwortlich ist, die Probleme zu erkennen und zu lösen. Dafür sollte man am besten bereits Erfahrungen in den Bergen gemacht haben oder sich gut vorbereiten. Hier wollen wir auf ein paar dieser Gefahren aufmerksam machen.

Keine Gefahr im eigentlichen Sinne sind Pannen. Sie können zu großen Verzögerungen führen oder gar zum Abbruch der Tour und schlimmstenfalls Stürze verursachen.  Bei den Belastungen auf das Material ist es sehr wahrscheinlich, dass mal etwas nachgibt. Üblicherweise sind es der Schlauch oder die Kette, aber in Verbindung mit Stürzen können sogar Lenker brechen. Um die Eintrittswahrscheinlichkeit zu minimieren, müssen das Rad vor der Tour in einen guten Zustand versetzt und die Verschleißteile begutachtet werden. Für eine Lösung auf der Etappe sind Flickzeug und(!) Ersatzschläuche, eine Minipumpe, ein Kettenschloss (oder Nieten), Bremsbelege, ein kleines Werkzeugset und eine Dämpferpumpe mitzuführen. Auch Ersatz-Cleats, Speichen, Dämpferflicken, Pannenspray und ein Schaltauge können nötig werden.

Gedenkkreuz

Gedenkkreuz am Eisjöchl

Ein weiteres Risiko besteht im Wetter. Das kann sich in den Bergen manchmal schlagartig ändern und auf Bergalmen ist man bei Gewitter in akuter Gefahr. Mahnend dafür steht am Eisjöchl ein Kreuz, dass an einen jungen Pfadpfinder erinnert, der durch Blitzeinschlag ums Leben kam. Während der Tour sollte man auf Anzeichen eines Wetterumschwungs achten. Vor jeder Etappe ist ein Blick in den Wetterbericht (etwa auf Bergfex.de) sinnvoll, außerdem können die Hüttenwirte oft genaueres sagen. Vom Gewitter überrascht bleibt es nur eine Mulde zu suchen und sich möglichst klein zu machen, wobei die Fläche auf der man den Boden berührt ebenfalls klein sein sollte. Ein Blitzeinschlag verursacht einen Spannungstrichter und eine breite Schrittstellung führt zu einer großen Potentialdifferenz zwischen beiden Füßen. Bei starkem Regen helfen wasserdichte Gore-Tex Socken und Regenkleidung. Wer morgens im Wetterbericht schon liest was auf einen zukommt muss entweder eine weitere Nacht bleiben und so den Plan durcheinander Werfen, oder auf die Ersatzroute zurückgreifen.

Probleme drohen auch, wenn man die eigenen Fähigkeiten überschätzt. Geht es dabei um Ausdauer und Fitness, wird man eventuell überpacen, um mit dem Team mitzuhalten und am Ende völlig zusammenbrechen. Hier ist es sinnvoll eine etwas leichtere Tour zu planen und sich gut darauf vorzubereiten. Wenn das Kind erstmal in den Brunnen gefallen ist, bleibt es nur sich Einzugestehen, dass man Pausen braucht und langsamer machen muss. Im Notfall muss man auf Alternativrouten zurückgreifen oder eine Etappe aussetzen. Überschätzt man die Fahrtechnik, können Stürze die Folge sein. Das ist in den Alpen mit teilweise steilen Hängen und unzugänglichen Abschnitten eine potentielle Katastrophe. Zur Vermeidung von Stürzen gilt es abzusteigen, wann immer man sich unsicher ist. Es ist keine Schande das Fahrrad zu schieben und auch dann ist Aufmerksamkeit auf den Weg erforderlich. Für den Fall, dass doch etwas passiert, muss(!) man ein erste Hilfe Set dabei haben und wissen wie es funktioniert. Die Auslandskrankenversicherung ist obligatorisch und auch eine Mitgliedschaft im Alpenverein zahlt sich spätestens dann aus, wenn eine Bergrettung erforderlich ist.

Nicht unterschätzen sollte man auch die Gefahr durch wilde Tiere. Während man nur noch in manchen Regionen einem Bären begegnen kann, wird man je nach Jahreszeit mit hoher Sicherheit über eine Alm voller Kühe, Pferde oder Ziegen laufen. Das ist üblicherweise gefahrlos machbar, aber gerade um Jungtiere sollte man einen weiten Bogen machen, um keine Schutzinstinkte bei der Mutter zu wecken. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte man auch nicht der Versuchung erliegen die Tiere zu füttern.

Kühe bei Riezlern
Reparaturversuch