Alpen­cross: Pleiten, Pech und Pannen





Der Alpencross ist ein mystifizierter Traum für jeden Mountainbiker. Viele arbeiten darauf hin und tausende erleben ihn Jahr für Jahr. Leider kann die Alpenüberquerung schnell zum Albtraum werden. Probleme und kleinere Pannen, die im Heimatrevier für ein wenig Frust sorgen, können die ganze Etappe aufs Spiel setzen. Auch harmlose Stürze sind ein potentiell lebensbedrohliches Risiko. So sind schon Wanderer beim Binden der Schuhe in den Tot gestürzt und ein kurzer Gleichgewichtsverlust endete so manches Mal mit einigen hundert Metern Absturz. Ausschließen kann man diese Gefahren nicht, aber durch gute Vorbereitung bei der Routenplanung, dem Erstellen des Roadbooks und einer Erste Hilfe Schulung, kann man sich auf vieles vorbereiten. Auch Werkzeug und Ersatzteile können in den Alpen Gold wert sein.

Zur weiteren Absicherung empfiehlt es sich Mitglied in einem Alpenverein zu werden. So sind die Übernachtungen teilweise günstiger, man bekommt Zugang zu mancher sonst verschlossenen Hütte und leistet mit seinem Mitgliedsbeitrag einen Beitrag zum Schutz der Alpen. Wichtiger wiegt, dass man im Fall eines Unfalls auf die Bergrettung zurückgreifen kann, ohne die immensen Kosten für die Bergung mit dem Helikopter fürchten zu müssen. Da diese dann ohnehin die kleinere Sorge sind, sollte man dennoch kein vermeidbares Risiko eingehen.

Wir hatten auf unseren Alpenüberquerungen durch vorsichtiges Vorgehen, ausführliche Planung und Glück (z.B. mit dem Wetter) nur kleine Probleme. Solche können immer wieder auftreten, stellen aber keine ernsthafte Gefahr dar. Weder Bergrettung noch Auslandskrankenversicherung mussten wir nutzen. Dagegen erträglich war so manch unnötiger Zeitverlust. Damit ihr unsere Fehler nicht wiederholen müsst, ertragen wir die Schmach und listen einige dieser Ereignisse auf.



Problem 1: Überschätzung der eigenen Fähigkeiten.

Überschätzung Alpencross

Kaum mit dem Rad zu meistern: Die Bärenfalle.

Wer nicht wenigstens ein Wochenende im Hochgebirge unterwegs war kann sich nur schwer vorstellen, wie Steigung und unwegsames Gelände einem zusetzen. Wie in unserem Beitrag zu der Alpencrossvorbereitung in Bezug auf Höhenmeter bereits ausführlich beschrieben, ist die Anstrengung auf 2000 m Höhe kaum mit der beim Training im Mittelgebirge vergleichbar.

Auf unserer ersten Alpenüberquerung (2016) mussten wir das mehrfach feststellen. Dabei machten uns aber nicht nur die langen nicht eingeplanten Schiebepassagen zu schaffen, sondern vor allem die „Abfahrten“. Der Touristensteig am Schlern (2016 E5), mit großen Stufen und Horden von grimmigen Pauschal-Wanderern war ein extremes Beispiel dafür, dass man sich auch für den Abstieg viel Zeit einplanen muss. Wenn die Fahrtechnik nicht ausreicht oder man bei seiner ersten Alpenüberquerung auf Nummer Sicher gehen will, sind auch „einfache“ Pässe, wie der Fimberpass (2016 E2), wahre Zeitfresser.

Die schwerwiegendste Fehleinschätzung hatten wir auf unserer letzten Etappe im Jahr 2016 (2016 E7). Hier wollten wir von der Brixner Hütte über das Sandjöchl nach Sterzing und dann den Fernradwegen weiter über den Brenner nach Innsbruck folgen. Der Hüttenwirt warnte uns schon, dass das Sandjöchl mit dem Rad kaum zu überqueren sei und wir doch besser über Steinkarscharte und das Pfunderer Joch fahren sollten. Insgesamt waren wir inklusive einer ausgedehnten Pause 12 Stunden unterwegs und heilfroh als wir um 20:30 Uhr endlich am Ziel waren. Ähnlich unterschätzt hatten wir auch den Weg von Tiers über die Bärenfalle zum Schlernhaus (2016 E4). Im Tal wurden wir von einem Einheimischen für dieses Vorhaben ausgelacht. Ändern konnten wir den Plan leider nicht mehr und so standen uns viele Stunden schieben und tragen bevor, in denen wir selbst zu einer Sehenswürdigkeit wurden.



Problem 2: Stürze

Harmloser Sturz beim Alpencross

Sebos Sturz auf dem Weg zur Schneebergscharte

Zum Fahrradfahren gehört das Stürzen dazu, man muss nur wieder aufstehen. Das ist uns in den Alpen bisher immer gelungen. Zum Glück gab es auch keinen ernstzunehmenden Sturz. Dagegen berichtete uns eine Freundin davon, dass in ihrer Gruppe ein Teilnehmer am Hang stürzte und sich zwar knapp selbst an der Abrisskante halten konnte, sein Rad aber so weit in die Tiefe fiel, dass selbst der Lenker brach.

Unseren ersten Sturz hatte Sebo am Ende des Fimberpasses (2016 E2). In einem Bachbett trauten wir uns immer mehr zu und ließen dem Fahrrad endlich ein wenig Freiraum, doch dann blieb Sebo an einem Stein hängen und stürzte bei ziemlich geringem Tempo auf die großen Felsen. Die Schmerzen waren erträglich und am Fahrrad blieb alles heil. Nur die Befestigung einer Tasche ging zu Bruch und zwang uns dazu das Gepäck neu zu verteilen.

Der zweite (beinahe) Sturz folgte erst im nächsten Jahr (2017 E1). Auf dem Weg aus Schönberg im Stubaital in Richtung Brenner führt eine Landstraße bergab. Hier erreicht man schnell ein hohes Tempo, doch am Ende der Straße erwartete uns wegen eines Murenabgangs eine Absperrung. Ich hatte damit gerechnet, dass wir die Absperrung umfahren, um dahinter, Abseits des fließenden Verkehrs, zu beraten, wie wir weiter vorgehen sollten. Aus diesem Grund ließ ich entspannt rollen, bis ich ein metallisches Geräusch unter mir hörte. Ich schaute dem Geräusch hinterher, da ich sicher sein wollte, dass mir nichts herunterfiel. Sekunden später blickte ich nach vorne und sah die anderen Beiden auf der Straße vor mir stehen. Trotz Vollbremsung kam ich erst in letzter Sekunde zum Stehen und wäre dabei über den Lenker geflogen, wenn ich mich nicht hätte an Sebo zur Seite wegdrücken können. Wir diskutierten nur kurz über die Schuld und setzten die Fahrt fort als endlich jeder im Recht war.

Der letzte Sturz ging wieder auf Sebos Konto. Bei einem steileren Anstieg zur Schneebergscharte (2017 E2) verlor er kurz das Tempo und kippte sofort zur Seite weg. Da er die Klickpedale* noch nicht gewöhnt war, konnte er sich nicht erwehren und landete zwar schmerzfrei aber geringfügig beschämt auf der Seite. Ein Bild davon wollen wir euch nicht vorenthalten.



Problem 3: Technische Defekte

Bei „Pleiten, Pech und Pannen“ auf dem Alpencross, kommt vielen als erstes der klassische platte Reifen als Musterbeispiel einer Panne in den Sinn. Die erste Alpenüberquerung hatten wir noch ohne eine solche Panne geschafft, beim zweiten Mal verließ uns dieses Glück:

Es passierte auf dem weg vom Eisjöchl ins Pfossental in Sichtweite des Eishofs. Beim Überspringen der Querrinnen verschworen sich das hohe Systemgewicht und der geringe Druck im Schlauch gegen mich und die Felge schlug durch. Leider erschien der Druckverlust langsam, so dass wir die Snake-Bites nicht als solche erkannten. Nun folgte ein schwerwiegender Fehler: Wir versuchten den Reifen mit einem Druckluft-Dichtmittelgemisch (Pannenspray*) wieder flott zu machen. Doch nur wenige Sekunden später war der Reifen wieder leer und das Dichtmittel im Mantel verteilt, denn Löcher waren viel zu groß um sie so zu verschließen. Der klassische Flicken dagegen hatte knapp die richtige Größe, hielt aber nicht auf den Dichtmittelrückständen. So mussten wir unser drittes Ass aus dem Ärmel ziehen und einen neuen Schlauch montieren. Das Ass war leider durch einen Fehlkauf in der falschen Größe. Frustriert schoben wir das Rad zum Eishof und versuchten es dort mit allen Mitteln wieder fahrbar zu machen. Am Ende half trotzdem nur eine Mitfahrgelegenheit zum nächsten Fahrradladen.

Eine Noch ungewöhnlichere Panne hatten wir bereits tags zuvor. Genauer zwei Tage davor auf den letzten Kilometern. Denn dort verloren wir unbemerkt eine Schraube, welche Kettenstrebe und Rahmen miteinander verbindet. Am Abend hörten wir schon ungewöhnliche Geräusche beim Fahren, aber erst nach einiger Zeit, zu Beginn der nächsten Etappe, konnten wir das Problem lokalisieren. Zuvor waren wir der Verzweiflung nah und Maria schockiert, dass wir ihres Rades wegen die Gesamte Alpenüberquerung abbrechen müssten. Doch als wir den Schaden sahen war klar, dass unsere Kabelbinder uns bis zur nächsten KFZ-Werkstatt retten werden. Dort bekamen wir dann eine Schraube gekürzt und montiert.

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Problem 4: Erkrankung bzw. Erkältung

Verletzungen Alpencross

Blaue Flecken und kleinere Wunden aus mehreren Etappen

Der Alpencross setzt den Körper einer großen Belastung aus, welche man nicht unterschätzen sollte. Kommen große Temperaturschwankungen und der gelegentlicher Regen dazu, ist das Immunsystem gestresst. Dann haben Viren und Bakterien leichtes Spiel.

Nicht selten kommt es daher zu Erkrankungen während einer Alpenüberquerung. Wir erlebten das auf unserem Weg über den Fimberpass, durch das Val d’Uina zur Sesvenna Hütte (2016 E2). Maria war auf dem Anstieg deutlich angeschlagen und wir konnten uns nicht erklären woran das lag. Den Anstieg konnten wir trotz wunderschöner aber gut beschaffener Wege nur mit geringem Tempo beginnen. In dem zerklüfteteren hochalpinen Abschnitt zum Schluss mussten wir ihr Fahrrad dann sogar mit schieben. Diese Aufgabe übernahm Sebo während ich ein Stück voraus ging um die Hütte zu erspähen. Am Abend war es uns noch ein Rätsel wie es zu diesem plötzlichen Leistungseinbruch kam. Doch am nächsten Morgen wachte Maria mit starken Erkältungssymptomen auf.

Zu diesem Zeitpunkt wussten wir nicht, ob wir die gesamte Tour abbrechen müssten. Mit Aspirin Complex waren die Symptome zwar schnell im Griff, aber die Leistungsfähigkeit natürlich noch nicht wieder hergestellt. Wir entschlossen uns nach einiger Zeit dazu die nächste Hütte abzusagen und durch das Tal nach Meran zu rollen, um ihren Organismus nicht weiter zu stressen. An jedem noch so kleinen Anstieg machte sich die Erkältung auch an diesem Tag sofort bemerkbar. Aber Anstiege gab es auf dieser Strecke zum Glück nur wenige und von denen abgesehen blieb es eine sonnige und entspannte Etappe. In Meran konnten wir dann wieder Kräfte sammeln und bereits am nächsten Morgen war die kurze Erkältung verschwunden. Nach dieser kleineren Panne konnten wir unsere Alpenüberquerung normal weiterführen.