Alpencross-Vorbereitung: Die Höhenmeter
Gerade unter den leistungsorientierten Alpencross-Mountainbikern werden die geschafften Höhenmeter mystifiziert und verklärt. Sie sind Maß für die Kondition und das Merkmal einer Transalp mit dem am meisten geprahlt wird. 1500 hm? 2000 hm? 3000 hm? Nach oben scheint für die Etappen kaum eine Grenze gesetzt zu sein.
Im Kern ist es auch richtig ein genaues Augenmerk auf die Höhenmeter zu legen. Sie definieren eine Etappe oder den Alpencross deutlich besser als die Fahrstrecke. Ohne die Steigung und den Untergrund zu kennen, ist die Information dennoch allenfalls ein Anhaltspunkt zur Bewertung. Auf Waldautobahnen im Mittelgebirge kann man Höhenmeter ohne Ende reißen und wird in den Alpen manches Mal an einigen 100 Höhenmetern verzweifeln.
Dagegen unterschätzt werden die Tiefenmeter. Bei der Planung unserer ersten Transalp haben wir die Abfahrten weggelacht und geglaubt, man könne einfach rollen. Dass wir dann auch runter für Stunden schieben können war uns nicht bewusst. Wenn man zu den Downhillern zählt und diese halsbrecherischen Abfahrten genießt hat man sicherlich eine realistischere Sicht, ansonsten empfiehlt es sich, gerade im Hochgebirge einen Zeitpuffer für die Abfahrten einzubauen.
Mangels einer besseren Alternative werden die Höhenmeter auch gerne als Gradmesser für die Fitness verwendet. Allgemeine Aussagen sind zwar nicht leicht, im folgenden Beitrag, Alpencross Vorbereitung: Die Höhenmeter, werden wir dennoch auf eine häufig gesetzte Trainingskennzahl eingehen, unsere Erfahrungen und Frustration im hochalpinen Gelände darlegen und Anhaltspunkte für die Etappenplanung geben. Zuletzt werden wir die verschiedenen Möglichkeiten der Messung unter die Lupe nehmen.
Trainingsziel: So viele Höhenmeter pro Stunde sollte man schaffen.
In dem ersten Alpenratgeber*, den wir für die Vorbereitung verwendeten, stand ein klares Trainingsziel: mindestens 500 Höhenmeter in einer Stunde. Diese Marke setzten wir uns im Training beider Alpenüberquerungen und haben sie auf der „Normstrecke“ an unserem Hausberg immer geschafft. Es handelt sich dabei um das typische deutsche Mittelgebirge, genauer den Taunus bei Frankfurt. Die Wege sind teilweise asphaltiert oder geschottert und nur kurze Abschnitte sind mit etwas losem Geröll.
Der Fitnessstand auf der Überquerung war trotz ungefähr gleicher Zeiten auf dieser Normstrecke deutlich unterschiedlich. Der Grund ist, dass diese Kletterfähigkeit keinesfalls die Grundlagenausdauer ersetzt.
Losgelöst von langen Trainingstouren (ca. 4-5 Stunden) und regelmäßigen lockeren Runden ist ein Wert von 500 Höhenmetern pro Stunde aber ein realistisches Ziel, das man erreichen sollte. Ergänzt wird diese Steiggeschwindigkeit durch das Absolvieren einiger Touren mit einer Gesamtsteigung von je über 1000 Höhenmeter, bestenfalls sogar 1500 Höhenmetern.
Wer im flachen Land wohnt sollte sich einige Wochen vor der Tour ein Mountainbikerennnen aussuchen, das die geforderten Werte erfüllt. Auf Jedermanntermine.de findet man eine sehr ausführliche Liste von verschiedenen Rennen. Für Genuss-Biker ist es wichtig, sich nicht von dem Leistungsdruck anstecken zu lassen. Wie in den Alpen gilt es, ein „überpacen“ zu vermeiden.
Die durchschnittliche Steigung wird in den meisten Trainingsregionen viel geringer sein, als in den Alpen. Somit wird die Strecke schnell das doppelte der Etappenlänge erreichen, dies sollte aber keines falls dazu verleiten, die Etappen zu unterschätzen.
Alpencrosss: Wie viele Höhenmeter schafft man in den Alpen pro Stunde?
Die hohe Steigung, das unwegsame Gelände und die Höhenluft können die Leistung deutlich schmälern. 500 Höhenmeter pro Stunde, die man im Training erreicht hat, werden auf großen Teilen des Alpencross unerreichbar bleiben. Natürlich ist es auf asphaltierten Talstraßen möglich sich mit ähnlichem Tempo hoch zu schrauben. Die machen aber bei weitem nicht so viel Spaß, wie die schroffen Alpenpässe fern von Autoverkehr und Pauschaltouristen.
Einen ehrlichen Wert kann man daher nicht nennen. Dazu kommt, dass es während der Tour merkliche Ermüdungserscheinungen gibt. Wir hatten eine große Bandbreite von kurzen Abschnitten mit vergleichbarer Steigleistung bis hin zu über 2h für 500 Höhenmeter, z.B. bei dem Aufstieg zur Stettiner Hütte (Etappe 03 / 2017). Eine der härtesten Steigungen war der Bremsberg an der Schneebergscharte: 150 Höhenmeter auf nur 500 Metern kosteten uns etwa 40 Minuten – Obwohl wir das Ziel vor Augen hatten und keine Pause machten (Etappe 04 / 2017). Die letzten 180 Höhenmeter der gleichen Etappe führten zur Schneebergscharte und waren mit einer Stunde sogar noch langwieriger.
Alles in allem ist also das Schieben im Schneckentempo ebenso Teil der Transalp wie auch das konstante und zügige Hocharbeiten. Wir waren dabei allerdings nicht perfekt austrainiert und auch nicht mit dem Blick auf die Uhr unterwegs.
Alpencrosss: Wie viele Höhenmeter pro Etappe sind sinnvoll?
Eine pauschale Antwort ist auch hier nicht möglich. Mit 2000 Höhenmetern hat man, je nach Untergrund und Steigung, bereits eine relativ anspruchsvolle Marke. Für die erste Transalp sollten auch 1000-1500 Höhenmeter je Etappe ausreichen, um ein Gefühl für das anspruchsvolle Terrain zu bekommen. Dabei ist gerade die erste Etappe deutlich geringer anzusetzen, damit der Körper sich an die Belastung gewöhnen kann. Nach ungefähr der Hälfte der Etappen folgt dann üblicherweise die „Königsetappe“ mit der größten Höhenleistung.
Ein mittlerer Alpencross von einer Woche wird einen Gesamtanstieg von 7000 bis 11000 Höhenmetern enthalten. Für Einsteiger ist auch weniger keine Schande. Am anderen Ende stehen die extremen Routen, wie etwa bei der Bike-Transalp, welche 2018 in 7 Etappen mit ziemlich genau 18000 Höhenmetern aufwartet. Alleine die härteste Etappe hat ca. 3500 Höhenmeter.
Dass die Höhenmeter alleine nicht das Maß der Dinge sind, verdeutlicht der Vergleich zwischen unseren Etappen zum Schlernhaus (1400 hm), zur Brixner Hütte (1700 hm) und zur Stettiner Hütte (2000 hm). Aus dieser Auswahl war der Weg zum Schlernhaus (Etappe 04/2016) der anspruchsvollste. Fast die gesamte Etappe konnten wir nur schieben.
Ob der Streckenabschnitt fahrbar ist, ist oft schwer zu sagen. Steigungen von über 20% im Schnitt sind ein deutliches Indiz für ein Schiebestück. Auch die Linienart und der eingezeichnete Untergrund im Kartenmaterial sind aufschlussreich. Dichte Höhenlinien und enge Serpentinen verheißen ebenfalls fahrtechnisch anspruchsvolle oder unfahrbare Wege. Da die meisten Routen schon gefahren wurden, finden sich oft gute Erfahrungsberichte. Ebenfalls ist es auch günstig dem Planungstool zu trauen. Wenn wir selbst Änderungen eingebaut haben, lagen wir meistens falsch.
Höhenmeter Messung: Wie zuverlässig sind die Messmethoden?
Wer bei seinem Alpencross Höhenmeter als Orientierungspunkt nimmt, der sollte auch genau wissen, wie viele es denn wirklich sind. In der Planung sind die Karten meist sehr genau. Das gilt aber gelegentlich nur für die Karte in der man die Strecke erstellt. Ein Export und Import in einer anderen Basis kann durch Ungenauigkeiten zu sehr großen Abweichungen führen. Auch die Planung in unterschiedlichen Tools mit verschiedenen Karten kann zu relevanten Abweichungen führen. Wir haben daher immer ein paar Planungen Routenberechnungen parallel durchgeführt um uns am Ende ein gutes Bild zu verschaffen.
Vor Ort will man dann die erbrachte Leistung messen. Für die Fahrstrecke gibt es mit den Radumdrehungen und GPS zwei relativ zuverlässige Methoden. Abweichungen von einigen Metern, wie sie beim GPS normal sind können bei der Höhe zu großen Unterschieden führen, da diese ungenauer bestimmt wird, als die Ortskoordinaten. Gerade wenn die GPS Signale sehr schlecht sind. Das kommt nicht nur bei Unwetter vor. Enge Schluchten behindern die Ortung hinreichend um zu großen Sprüngen in der Position zu führen. Dabei setzt er einen mal auf den Boden der Schlucht und mal auf das nächste Plateau. Die Konsequenz sind unverwertbare Höheninformationen, wie wir sie bei unserer Durchquerung des Val d’Uina bekamen (Etappe 02 / 2016).
Besser Ergebnisse erhält man mit einer barometrischen Höhenmessung. Tachos für unter 100€ können dies schon leisten. Diese Messungen sind zuverlässig, wenn das Wetter beständig ist. Ein plötzlicher Umschwung und aufziehendes Gewitter können aber auch dieser Methode gefährlich werden.
Es empfiehlt sich mehrere Geräte zu verwenden, um am Ende einen guten Wert zu erhalten. GPS Daten lassen sich unter Umständen dann noch mit gutem Kartenmaterial reparieren. Garmin führt zum Beispiel nach dem Upload auf das Garmin-Connect Portal eine Korrektur durch. Manche der teuren Fahrradcomputer kombinieren schon von Haus aus die barometrische mit der GPS basierten Höhenmessung.
Alpencross Orientierung: Höhenmeter im Roadbook darstellen.
Während der Alpenüberquerung dient das Roadbook als kleines offline Lexikon für alles Wissenswerte. Neben allgemeinen Informationen und Notfallnummern, gehört auch eine Zusammenfassung zu jeder Etappe in das Roadbook. Diese Zusammenfassung wiederum besteht aus den Informationen zur Übernachtungsstelle, einer beliebig genauen Liste an Zwischenzielen und der graphischen Darstellung der Etappe.
Die graphische Darstellung entspricht dem Höhenprofil und eventuell einem Steigungsverlauf. Letzterer ist gerade für die Planung interessant, da er hilft die Etappendauer zu schätzen und auf unfahrbare Abschnitte hindeutet. Das Höhenprofil dient dagegen vor allem der Kräfteeinteilung und Motivation während der Etappe selbst. Man sieht darauf sowohl in der Höhe als auch in der Streckenlänge, wie viel man bereits geschafft und wie viel noch vor einem liegt. Das Einzeichnen größerer Städte und Wegpunkte hilft zusätzlich bei der Orientierung auf dem Graphen.
Feiner aufgegliedert sind die Points of Interest, welche Wegmarken zur Navigation sein sollen. Für den Fall, dass die elektronische Navigation versagt wollten wir darauf vorbereitet sein den Weg zu erfragen oder selbst zu finden. Außerdem suchten wir Banken, Apotheken, Krankenhäuser, Fahrradwerkstätten und Einkaufsmöglichkeiten raus, um auf unvorhergesehene Probleme reagieren zu können ohne auf das Internet angewiesen zu sein. Überwiegend zur Orientierung bei der Suche des nächsten Ziels gedacht, haben wir auch hier die hinter uns liegende Strecke und die geschafften Höhenmeter notiert. Gerade auf der 100 km Etappe halfen uns diese Daten dabei die Motivation hoch zu halten.